Ich esse gerne Weißwurst. Deutliche Spuren in extra prima good zeugen davon. Hier laufen sie alle zusammen.

Im Kreisen um die weiße Wurst ist mir immer wieder die Metzgerei Wittmann im oberpfälzischen Neumarkt durchs Bild gegangen. Warum? Weil diese eine Papierform hat, die ihresgleichen sucht! Der Magerfleischanteil besteht aus reinem Kalbfleisch (100%). Dieses kommt ausnahmslos von Tieren aus Biohöfen in Berching und Bayreuth. Der Schweinespeck stammt ausschließlich vom Schwäbisch-Hällischen Landschwein der vorbildlich arbeitenden  Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall. Die Gewürze sind allesamt bio, ebenfalls die Zitrone. Von dieser kommt die ganze Schale in den Kutter. Selbstverständlich sind keine Geschmacksverstärker oder Zusatzstoffe in der Pelle. Diese Wurst muss ich kosten – diesem Metzger will ich die Hand schütteln!

Metzgermeister Norbert Wittmann

Zusammen mit meinem Vater (freu!) geht es nach Neumarkt. Wir werden erwartet. Was erwartet uns? Familienbetriebe. Da ist einmal die Metzgerei. Gegründet von Georg Wittmann, dem Vater des heutigen Chefs – Koch und Metzgermeister Norbert Wittmann. Vom Schwein gibt es hier nur Schwäbisch-Hällisches. Ochse vom boeuf de Hohenlohe. 6 bis 8 Wochen Trockenreifung des Fleischs in Teilstücken direkt am Knochen. Herrlich! Geräuchert wird mit Buchenholz und nicht mit industriellem Flüssigrauch. Die Weißen kosten übrigens 12,90 EUR/kg.

Dann das Wirtshaus. Schaut Euch einfach die Karte an – regional, bio und alles auf die Jahreszeiten abgestimmt. Sollte das Genussführer-Team des Slow Food Conviviums Nürnberg nicht sehr bald hier zum Testen aufschlagen, macht es das Convivium Ingolstadt!

Und das Hotel. 29 Zimmer mit insgesamt 57 Betten. Bei Tagungen gibt es „bayerische Tapas“ (z. B. Tafelspitz, Leberkäse, Schnitzel, Fleischpflanzerl, Tatar, Obazda, Zwetschgenknödel, Apfelstrudel, Kaiserschmarrn, Bayerisch Creme). Das Ruder hat Wittmann 1988 von seinen Eltern übernommen. Unter tatkräftiger Mitwirkung seiner Frau. Seit 2008 ist alles bio zertifiziert. Und Slow Food Förderer sind sie auch …

Nach einer sehr herzlichen Begrüßung dürfen wir der zweiten Weißwurstproduktion dieses Freitags beiwohnen.

Das Kalbfleisch kommt mit den Gewürzen, dem Salz und der Zitronenschale in den Kutter. Dazu Eis (verhindert die wärmebedingte Eiweißgerinnung). Danach wird separat(!) der Schweinespeck gekuttert und zum Ende mit dem Kalbsbrät wieder vereint. Hinzu kommen jetzt die Zwiebeln.

Schließlich gibt Wittmann gegarten Kalbskopf und frische Petersilie in die Masse. Der fertige Brät kommt in die Einfüllmaschine.

Was es auf dem Markt in ausreichender Menge leider nicht gibt, sind Bio-Därme. Hier muss der noch so ambitioniert und nachhaltig arbeitende Metzger dann doch auf konventionelle Ware zurückgreifen. Ein bemerkenswerter Punkt …

Wir fertigen „nicht viel, aber oft“ erklärt Wittmann. Absolute Frische ist für ihn ohne Alternative. Montag bis Freitag kommen zwei Mal täglich – bei Bedarf auch öfter – kesselfrische Weiße aus der Manufaktur. Und am Samstag einmal.

Fragen im Ladengeschäft – Sind die Weißen von heute? – erübrigen sich hier also. Als Brühwurst kommt die lange Kette schließlich in den Kessel.

Zurück in der Gaststube, am fein eingedeckten Tisch, dürfen wir endlich unseren Hunger stillen. Es gibt Weißbier von – natürlich Lammsbräu! Die ausgezeichnete Bio-Brauerei sitzt ebenfalls in Neumarkt. Man pflegt laut Wittmann ein sehr gutes Verhältnis zueinander. Ein eigener Senf (Auftragsfertigung) und selbstredend Brezen stehen bereit.

Und dann kommen die Weißen. Und Wittmann. Er setzt sich zu uns. Schön! Diese Kombi – frischeste Würste zusammen mit dem Maestro – hat man nicht so oft. In einem kurzweiligen Gespräch ist Zeit für einen tieferen Einstieg. Sorge habe er – um den Berufsstand. Immer mehr alteingesessene Metzgereien machen für immer dicht. Dafür gibt es Discounter an jeder Ecke … Einen Ausweg sieht Wittmann in kompromissloser Qualität. Und die fängt für ihn beim lebenden Tier, der Rasse und der richtigen Haltung an. Bereits mit acht Jahren hat ihm sein Vater den ersten Kittel gekauft. Stolz wie Bolle ist er damit zu den Bauern, zum Tiereinkauf, mitgekommen. Mit 20 war er dann jüngster Metzgermeister Bayerns! Große Freude bereitet ihm der Einstieg seines Sohns Tim in den Betrieb. Und die beiden Töchter Jana und Nadja zeigen auch Interesse. Man muss sich also in Neumarkt keine Sorgen machen.

Schmeckts? Oh ja! Helle Marmorierung mit ausreichender Petersilienverteilung. Feine Brätnote in der Nase. Kein fremder Rest. Leichter Zitrusanklang(!). Flaumig, wollige Textur. Nichts (mehr) für Zuzler. Die Würze ist perfekt ausgewogen. Und natürlich geht es ohne Geschmacksverstärker! Note 1.

Wohlig satt geht es ins hauseigene „Weißwurstmuseum“. Extrawurstführung. Auf weltweit einmaligen 150 qm kann man sich technisch erschöpfend (noch einmal) der Wurst nähern. Das Museum gibt es inoffiziell seit einigen Monaten. Am kommenden Wochenende ist jetzt die offizielle Eröffnung. Bereits seit 2006 unterhält Wittmann auch eine „Weißwurstakademie“. In 2-3 Stunden können Gruppen ab 10 Personen ein „Weißwurst-Diplom“ erwerben. Dazu gehören Theorie und Praxis. So füllen die Teilnehmer selbst Würste und drehen diese ab.

Wittmann agiert mit Herzblut. Seine, ich nenne es durchaus Mission, hat Hand und Fuß. Kommerzorientierter Erlebnis- und Eventquatsch oder Traditionstümelei ist erfreulicherweise weit und breit nicht in Sicht. Und er ist auf Ballhöhe. Eine Fotowand im Museum (letztes Foto, rechts unten) zeigt eine Szene am 22.02.1907 im Münchener Donisl. An dem Tag wurde die Weiße 50 Jahre alt. Münchener Metzger zerkleinern das Magerfleisch – Kutter gibt es noch nicht – mit dem Holzhammer. Den 150. Geburtstag der Wurst am 22.02.2007 würdig zu feiern, haben die Münchener Metzger hingegen verpennt – aber Wittmann war da! Er brachte an diesem Tag seine Werkzeuge und Mannen ins Hofbräuhaus an die Isar und fertigte dort offiziell die Jubiläumswurst zum Festakt. Eine echte Oberpfälzer Harke in der Oberbayerischen Herzkammer!

Gut, sehr gut, dass es solche wie den Wittmann (noch und wieder zugleich) gibt! Wäre es nicht wunderbar auch in Ingolstadt … Wir haben (einige) gute Metzger hier – Gott sei Dank. Trockenreifung, alte nur extensiv zu haltende Tierrassen jenseits der Konvention, Aufbau regionaler Biokreisläufe (Bauer, Schlachtung, Metzger) … da muss ich dann aber nachdenken …

Lieben Dank nach Neumarkt für die uns gewidmete Zeit! Was macht man jetzt mit einem so schön angebrochenen Tag? Lammsbräu? Ein anderes Mal. Aber Bier ist schon richtig. Wir sind in eine traumhaft schöne Stadt gefahren. Dort gehen die Leut “auf den Keller”. Bericht folgt. Hier

21 Kommentare

  1. Author

    Herr Kessler – haben Sie den Bericht eigentlich gelesen? Werden Sie diese Nachricht lesen?

  2. Sehr geehrter Herr Metzgermeister,
    könnten Sie mir schreiben, wieviel Kalbfleisch und wieviel Schweinefleisch Sie in Ihrer Weißwurst verarbeiten.
    Weiterhin habe ich noch eine Frage:
    Ist es möglich mir die Weißwurst im Rohzustand per Express zu schicken?

  3. Author

    Wie kommen Sie darauf? Aber der Metzger (vielleicht)?!

  4. Moin Moin…. Versenden Sie auch Weißwuerste? MfG Beate Molitor

  5. Author

    Christine, hier findest Du alle Links meines Blogs zum Thema Weißwurst.

  6. Lieber Michael,
    Dein Bericht kommt genau zur rechten Zeit! Unsere Tochter heiratet im August und wir sind auf der Suche nach guten Weißwürsten. Vielen Dank!

  7. das mach echt richtigen Appetit. Ein klasse Bericht.
    kann man diese Weißwürste bestellen und zusenden, da ich im Erzgebirge wohne ???
    bitte eine Info an enrico.rossa@onlinehome.de Vielen Dank

  8. Author

    Dürfen? Wer soll das verbieten? Sollen? Ich habe des öfteren gelesen, dass Weißwürste “stückweise” bestellt werden “sollen”. Ein Grund, für diesen in meinen Augen – Unsinn – wird aber nicht wirklich genannt. Eine Wichtigtuer-Regel.

  9. Könnten sie mir bitte sagen ob man weißwürste “stückweise”oder”paarweise” bestellen soll oder darf ? Danke.



  10. Wow, dass ging ja super schnell. Vielen Dank an Herrn Wittmann für die ausführliche Antwort.

    Inhaltlich habe ich mir das schon so gedacht, wie es Herr Wittmann macht. Seit eineinhalb Jahren betreiben wir in unserer Metzgerei mit eigener Schlachtung wieder verstärkt Warmfleischverarbeitung, so dass wir bei einem großen Teil der Brühwürst nur noch einen Sicherheitswert an Phosphat zugeben müssen. Aber wie Herr Wittmann gesagt hat, ist es ziemlich anstrengend, da am Schlachttag wirklich viel gemacht werden muss. Der Aufwand wird jedoch durch eine Geschmacksverbesserung und den möglichen Verzicht auf Kutterhilfsmittel belohnt.


  11. Author

    Hier die Antwort auf die Frage von wurschdwilly, die ich per E-Mail
    von Herrn Wittmann (Danke!) bekommen habe:

    “Hallo Herr Olma,

    sehr wichtige Frage!
    Wir als BIO Hersteller verwenden kein Phosphat sondern Citrat.
    Warmfleisch Verarbeitung habe ich zu meiner Lehrzeit gemacht als der Schlachthof noch wichtiger
    Teil und vor allem als es noch genügend Landwirte wie wir sie wollen gab. Hier musste man
    aber am Schlachttag sofort einen Teil zerlegen und verarbeiten. Unter Salzzugabe hat man Bindung
    ins Brät gebracht. Das nannte man “Ausbräten”.

    Heutzutage lässt aber die Fleischbeschau und die Verordnung nicht mehr
    zu, Fleischhälften warm zu transportieren. Die Fleischbeschau muss erst
    abgeschlossen sein. Wir als Partner der Bäuerlichen Erz. Gem. bekommen die
    Hälften und Teile sowieso nur ausgekühlt.

    Was passiert wenn man dies oder das zugibt?
    Unter Zugabe von Phosphat und Citrat passiert folgendes:
    Der ph – Wert ist nach der Schlachtung bei 7,3 fällt aber während des
    Auskühlens auf 5,4 und erhöht sich dann wieder leicht. Aber nicht mehr so wie es nötig ist.
    Unter Zugabe von Phosphat oder Citrat wird der pH-Wert wieder in den
    schlachtwarmen Zustand zurück versetzt also wieder auf 7,3 und hat so wieder ein hohes Bindevermögen.

    Der Unterschied zu Phosphat und Citrat ist:
    Citrat sind Salze der Citronensäure
    Phosphate sind Mineralien und Salze der Phosphorsäure aber auch im menschlichen
    Muskel vorhanden. Sind sogar sehr wichtig. Den größten Vorteil haben die Hersteller die
    Phosphat verwenden, dass man hier mehr Wasser zugeben kann. Beim Citrat würde das Brät nicht mehr halten.
    Wir müssen also genauer arbeiten den zuviel Eis würde dazu führen das nach dem brühen das Brät absetzt.
    Da aber manche Menschen allergisch auf zuviel Phosphate reagieren verwenden die BIO Hersteller
    lieber Citrate. Diese sind auch deklarationsfrei.

    Ich hoffe hier ausreichend geantwortet zu haben.
    Viele Grüße aus Neumarkt und bis demnächst

    Norbert Wittmann”

  12. Author

    Danke wurschdwilly. Habe die Frage an den Maestro weitergegeben. Wir warten also gemeinsam auf Antwort.

  13. Hallo padrone, echt super Erfahrungsbericht! Tolle Bilder und sehr schöne Beschreibung. Hat Spaß gemacht zu lesen und bestimmt auch beim Essen 😉

    Als werdender Metzger würde mich interessieren, ob du weißt wie der Wittmann die Bindung im Brät erreicht. Das wird normalerweise mit sogenannten Kutterfhilfsmitteln aus Phosphat erreicht. Im Biobereich wird Citrat eingesetzt. Bei eigener Schlachtung hat man die Möglichkeit ganz auf Kutterhilfsmittel zu verzichten, nämlich dann, wenn man Warmfleisch einsetzt.

    Danke,

    wurschdwilly

  14. Kenn’ ich, kauf’ ich :-).
    Wir waren schon ein paar Mal bei Wittmann und immer sehr zufrieden. Danke für die tollen Fotos von der Produktion, der Bericht macht mir viel Freude.

  15. servus aus zwiesel.

    was soll man sagen. sensationeller bericht. da fehlen mir die worte. echt. es gibt es also doch noch. das weißwurstparadies. glänzend erzählt und dokumentiert.

    gruß bertl

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