Im Burgenland habe ich bei der Familie Varga residiert. Die Vargas betreiben unter ihrem Namen im Weinort Gols DAS Fischrestaurant am Neusiedler See: Varga, Untere Hauptstraße 123, 7122 Gols.

Seit 1972 gibt es das familiengeführte Restaurant. Im Sommer lockt eine schöne Sonnenterrasse (mit Baumschatten). Das kongeniale bei den Vargas ist aber, dass sie die Fische nicht nur außergewöhnlich köstlich zubereiten, sondern auch selbst fangen! Und das in der jetzt vierten Generation.

Begonnen damit hat Matthias Haas im ungarischen Groisbach. Nach dem Krieg übersiedelte die Familie in das österreichische Gols. Hier lernte Emmerich Varga senior, ebenfalls aus Ungarn stammend, die Tochter von Haas kennen und heiratete sie. Sein Schwiegervater lernte ihm das Fischen auf dem See. Das Wissen gab er bei Zeiten seinem Sohn, Emmerich Varga junior, weiter. Dieser führt heute, zusammen mit seiner Frau Silvia, das Regiment im Restaurant. Tatkräftig unterstützt werden die beiden von ihrem Sohn Hannes Varga, einem gelernten Koch.

14 Berufsfischer gibt es derzeit auf dem österreichischen Teil (= ca. 75 % der gesamten Fläche) des Neusiedler Sees. Emmerich Varga senior und junior gehören dazu. Hannes wird die Lizenz eines Tages von seinem Großvater übernehmen.

Der Großvater Emmerich Varga senior.

Die Vargas fischen auf drei Arten. Mit dem Zugnetz, dem Stellnetz und der Reuse. Fangzeit ist von März bis in den Dezember. Ist der See zugefroren, haben die Fische ihre Ruhe. Zander (ungarisch eingefärbt hier auch Fogosch oder Fogasch genannt), Hecht, Wels, Karpfen, Schleie und Aal sind die üblichen Verdächtigen. Der Aal ist allerdings ein Auslaufmodell. Weil er nicht autochthon im See vorkommt, darf er nicht mehr eingesetzt werden. Und weil Aale ausschließlich im Atlantik (Sargassosee) schlüpfen und keinen natürlichen Seezugang haben, ist ihre Zeit als Speisefischart vor Ort gezählt. 5 bis 6 Tage die Woche geht es mit dem Boot hinaus. Nicht selten auch mehrmals am Tag.

An einem frühen Samstagmorgen durfte ich mit den drei Vargas (Großvater, Vater und Sohn) zum Fischen mitkommen. Auf dem Programm: Reusenkontrolle zwischen Podersdorf und Weiden. Ein wunderbares Erlebnis! Jagdfieber und Kontemplation hielten sich angenehm die Waage.

Mit dem Pickup fuhren wir direkt an den See. Das Boot liegt versteckt nahe einer Schilfschneise. Nach dem Beladen geht es mit langen Stangen durch den Schilfgürtel. Der sommerliche See erwacht gerade in den Morgen hinein. Weite, Ruhe.

Motorstart. Es geht auf den offenen See. Zu den Jagdgründen der Vargas.

Drei Vargas an Bord.

Es wird nicht viel geredet. Die folgenden Abläufe sind schon lange in Fleisch und Blut übergegangen. Trotzdem. Immer wieder eine enorme Spannung, auch nach Jahrzehnten verrät der Großvater, ob und wenn, was in der Reuse ist … Wir erreichen die erste.

Aus dem Wasser ragen einige Stangen. Dazwischen kleine weiße Bojen. Die Stangen, die die Reuse fixieren, werden aus dem Grund gezogen. Die Reuse wird geborgen und, eine Arbeit für zwei, Kammer in Kammer gelegt um den Fang zu bündeln.

Im Ganzen eine durchschnittliche Ausbeute. So werden die drei den Tagesfang am Ende kommentieren. Es ist alles dabei.

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Zander, Hecht, Wels, eine Schleie und eine ganze Menge Aale. Die Fische kommen in Plastikboxen die sofort mit einem Deckel versehen werden. Zu oft konnten sich gefangene Fische aus dem offenen Behältnis mit einem Sprung wieder in den See retten … Die Aale finden im Zwischenraum von Bootsboden und Plankenaufsatz ihren Platz. Der Beifang, viele kleine Weißfischarten, kommt zur Freude der uns stetig begleitenden Möwen zurück ins Wasser.

Emmerich Varga junior

So geht es Reuse für Reuse. Eine kleine Netzreparatur hier, nur noch ein halber Fisch, ordentlich abgefieselt, in der Masche dort. Das war unser “Freund” der Fischotter, klärt Emmerich junior auf.

Das Wetter hat gehalten. Die Aale sind im Sack, das Boot ist gesäubert. Landgang.

Die Beute kommt im Hof der Vargas lebendig nach Fischart unterschieden in Frischwasserbecken und von dort fangfrisch über die Küche auf die Teller. Früher einmal, gesteht Emmerich junior, gab es auch tiefgefrorenen Meeresfisch. Scholle zum Beispiel. Bei einem Hamburg-Besuch hatte er dann einmal einen frischen Plattfisch auf dem Teller. Zurück zu Hause nahm er diese Varianten umgehend von der Karte …

Die Familie verarbeitet alle Fische selbst oder verkauft sie ab Hof. Die Speisekarte treibt den Puls eines Fischliebhabers ordentlich nach oben. Und ich bin mir sicher, nicht wenige wurden hier zu solchen. Eine Spezialität des Hauses ist in der Pfanne geröstete Wels- und Hechtleber. Legendär die Fischsuppe. Mehrfach so Silvia Varga, wurde aus dem Handel schon angefragt, ob sie nicht als Konserve vertrieben werden könnte. Vergeblich. Der Großvater nennt als sein Lieblingsgericht gegrillten Karpfen. Dem Vater mundet gebackener Aal am besten und der Sohnemann bevorzugt gebratenen Wels. Aal und Wels werden selbstverständlich im eigenen Ofen geräuchert. Mit Akazienholz.

Großvater Varga hat zwei Söhne. Der bisher nicht genannte – Gerhard Varga – ist im Nebenberuf Winzer. Sieben Weißwein- und drei Rotweinsorten kultiviert er auf ca. 4 Hektar im eigenen Weingut in Gols. Natürlich werden (auch) diese im Restaurant ausgeschenkt.

Reisender, kommst du an den Neusiedler See und hast Hunger … Herzlichen Dank der Familie Varga für die feine Gastfreundschaft!

In Österreich gibt es die Initiative “Genuss Region Österreich” des Lebensministeriums(!). Darin sind hochwertige landwirtschaftliche Produkte und Spezialitäten unseres Nachbarlandes regionaltypisch erfasst. Eine der Genussregionen des Burgenlands ist “Neusiedlersee Fische”.

Eine gute Aktion! Wenn ich auch andere Meinungen dazu kenne. Dem speziellen kulinarischen Angebot einer Region wird eine große Bühne gegeben. Urproduzenten, Veredler oder Wirte können sie bespielen und das Stück gestalten … Das Bewahren dieses sehr wichtigen Kulturguts, gerade in der Betonung seiner regionalen Vielfalt, fällt bei dieser Grundsensibilisierung leichter … Natürlich darf und soll man – wie z.B. Slow Food zeigt – gerne auch tiefer in das Thema einsteigen.

Wien/Burgenland (8): Hier

2 Kommentare

  1. großartige fotos! reportage sowieso. setzt schnell fett an 😉

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