Aus Weißkohl … macht man Sauerkraut. Nach einem Besuch beim Wöhrl Franz (hier) wissen wir, dass wir uns in Ingolstadt nicht mit weit Zuagroastem verkohlen lassen müssen – er wächst vor unserer Haustüre!
Kohlgemüse zählt mit maximal 20 kcal/100g zu den kalorienärmsten und dank seiner Vitamine, Mineral-, Balast- und Inhaltsstoffe (49 verschiedene sekundäre Pflanzenstoffe) zu den gesündesten Gemüsearten. Die Chinesen entdeckten die Milchsäurekonservierung von Weißkohl (= Sauerkraut). Mit dem lagerfähigen Kraut konnte auf langen Seefahrten der Skorbut (Vitamin C Mangelkrankheit) erstmals wirksam bekämpft werden. Sein Vitamin B12-Anteil (durch die Milchsäuregärung) ist für Vegetarier nicht uninteressant.
Der von mir hochverehrte Meister Wilhelm Busch setzte dem Sauerkraut im zweiten Streich der Buben “Max und Moritz” ein Denkmal:
“Eben geht mit einem Teller
Witwe Bolte in den Keller,
Daß sie von dem Sauerkohle
Eine Portion sich hole,
Wofür sie besonders schwärmt,
Wenn er wieder aufgewärmt.”
Und wie es schmeckt! Krautsalat, Kohlrouladen, Krautfleckerl und eben immer wieder Sauerkraut (ist auch Bestandteil des berühmten Reuben Sandwich).
Besonders schön ist, dass der Weißkohl auch vor unserer Haustüre verarbeitet wird! Verantwortlich dafür, die Familie Landes (Landes Feinsaure Delikatessen OHG). Ich fahre nach Unterbrunnenreuth (Georg-Heiss-Straße 1-3, 85051 Ingolstadt) um mir das einmal anzusehen.
Früher Morgen. Es ist Krautwetter, sagt Simon Landes.
1921 gründeten hier Georg und Karoline Heiss (Straßenname!) die Firma Heiss-Sauerkraut. 1949 übernahmen die Großeltern von Simon Landes (teilt sich heute mit seinem Vater Roland die Geschäftsführung), Adolf und Frieda Landes den Betrieb.
Kernkompetenz und Schwerpunkt ist die Sauerkrautherstellung. Die Spezialisten verarbeiten dafür (eigene Marke und Lohnaufträge) im Jahr 9 – 10.000 Tonnen Weißkraut (Rohware). Daneben werden verschiedenste Gemüse (Gurken, Bohnen, Karotten, Rote Rüben, Rotkohl, Sellerie, etc.) konserviert. Und einen eigenen (empfehlenswerten) Senf haben sie. Erwähnenswert finde ich, dass von 1956 – 1975 (vor den regionalen Brauereien) Limonaden (u. a. Orange, Zitrone, Waldmeister) hergestellt wurden. Hier einige schöne historische Aufnahmen:
Ich steige aus dem Auto. Über der Gegend liegt der Geruch von Sauerkraut. Nicht unangenehm. Nebel. Krautwetter eben …
Simon Landes hat angeboten, mir den gesamten Kreislauf des Weißkohls in seinem Betrieb zu zeigen. Der Kohl kommt ausschließlich aus der Region. Das Gros liefert (der uns zwischenzeitlich bekannte) Bauer Wöhrl aus Ingolstadt. Weitere Lieferanten sind die Bauern Högele (Ingolstadt), Göbel (Neuburg) und Brender (Augsburger Land). Der Bio-Weißkohl kommt aus dem Dachauer Land.
Die Lieferanten richten sich nach den Produktionskapazitäten. Nach Bedarf ruft Landes das Gemüse sozusagen frisch vom Feld ab. Ca. 8 – 12 Stunden nach der Ernte beginnt schon die Verarbeitung. Diese dauert von Anfang September bis spätestens Mitte November. Nach Anfuhr und Abladen wird als erstes der Strunk ausgebohrt und der Kopf anschließend in Streifen geschnitten.
Das Kraut hat bereits die Form, in der es später konserviert wird. Jetzt wird Salz zugegeben. Beim konventionellen Kraut Siedespeisesalz, beim Bio-Kraut Meersalz.
Hier (links) wartet Sauerkraut auf die Abholung (Lohnauftrag). Rechts stehen die imposanten Gärbottiche. Faszinierende Stimmung. Bin ich wirklich in Ingolstadt? Haben wir hier tatsächlich so spannende Betriebe?
Die Gärbottiche sind aus Holz. Nach jedem Gärvorgang werden sie gereinigt.
Das zugegebene Salz entzieht dem Kohl die Flüssigkeit. Bei der Gärung – dem Herzstück der Produktion – wandeln Milchsäurebakterien den Zucker im Weißkohl in Milchsäure um. Das Kraut wird sauer.
Der Gärprozess dauert ca. 7 – 14 Tage. Er ist temperaturabhängig. Je nach Einschneidetemperatur länger (bei kalten Temperaturen) oder kürzer (bei warmen Temperaturen). Förderbänder rattern, es dampft und duftet feinsauer. Vater Roland Landes ist ein Tüftler und verantwortlich für mehrere Patente (Spezialmaschinen und Funktionen im Fertigungsprozess). Das Band rechts oben führt in die Halle mit der Konservenstraße.
Für die eigenen Sauerkrautprodukte des Hauses kommt ausschließlich der vergorene Weißkohl und Salz in die Büchse (kein Essig wie viele meinen). Bei Auftragsarbeiten (wie hier) können zusätzlich Gewürze zugegeben werden.
Jetzt wird das Kraut blanchiert. Danach finden Kraut und Saft wieder zueinander. Bei der Qualitätskontrolle wird (auch) das Abtropfgewicht überprüft (links oben).
Die Dosen werden verschlossen, gereinigt und laufen in einen weiteren Raum.
Hier erfolgt das Pasteurisieren, Etikettieren und Palettieren.
Mit der Marke Heiss werden REWE- und EDEKA-Märkte in Ingolstadt, der Region und Augsburg beliefert. Außerdem Metzgereien, Hofläden, Großküchen, Kantinen und Wirtshäuser. Und es gibt den “Krautwagen” von Mutter Inge Landes. Genauer gesagt sind es zwei Wägen. Der eine bedient den Wochenmarkt am Theatervorplatz am Mittwoch und Samstag und am Freitag den Piusmarkt jeweils in Ingolstadt. Der andere die Wochenmärkte in Kösching, Schrobenhausen, Pfaffenhofen und Freising.
Konserven können auch direkt im Betrieb (Montag bis Donnerstag 8 – 12 Uhr und 12.30 – 16 Uhr, sowie Freitag 8 – 14.15 Uhr) erstanden werden. Selbstverständlich auch einzeln.
Schöne Tradition. Lebensmittelveredelung in Ingolstadt – dürften nicht sooo viele gewusst haben. Lieben Dank für die schönen Einblicke und vielfältigen Infos – einige Male war es wie bei einer guten Sendung mit der Maus – an Simon Landes.
Der Nebel hat sich aufgelöst. Goldener Oktober. Die nächste Fuhre wartet. Beim Sauerkraut kann man Ingolstadt pur auf dem Teller haben – hier gewachsen, hier erzeugt! Die Gesichter dazu kennen wir jetzt. Und sauer macht bekanntlich auch noch lustig. Ich bin wunschlos!
genau, sendung mit der maus, bloß sind deine bilder schöner. danke!