Der Weißwursttest aller Ingolstädter Metzgereien steht vor seinem Ende (aktuelles Ranking). Bevor ich mich dem letzten Kandidaten zuwende, sind einige Extrawürste fällig.
In München wurde sie erfunden. In München wurde um sie gekämpft. Die Schutzgemeinschaft Münchner Weißwurst wollte die „Original Münchner Weißwurst“ als geschützte geografische Angabe eingetragen wissen. Der Antrag dazu wurde 2004 gestellt. Es ging hin und her. 2009 schließlich lehnte das Bundespatentgericht in letzter Instanz diesen Antrag ab. Zum Rechtsstreit und den Ablehnungsgründen finden sich zwei weiterführende Artikel in der FAZ – hier und dort.
Um die Ingolstädter Ergebnisse auf der großen Weißwurstbühne richtig einschätzen zu können, hielt ich es für angebracht, ja für unausweichlich, einmal zu verkosten was die Münchner Metzger so in den Darm füllen. Am 15.10.2011 wurde dazu ein großes Weißwurstfrühstück bei sehr lieben Freunden in der Landeshauptstadt angesetzt.
Der Termin war sorgfältig – dem durchaus vorhandenen Ernst der Sache Rechnung tragend – vom padrone vorzubereiten.
Die alles entscheidende Frage: Von welchem Metzger? Ein Zusammenfluss nachfolgender Erkenntnisquellen – bisherige eigene Erfahrungen mit Weißen in München, Nachfrage bei Freunden, Internetrecherche und entsprechendes Literaturstudium – mündete im Ergebnis sehr klar auf zwei Metzger zu. Magnus Bauch und Ludwig Wallner. Diese beiden wurden auserkoren zu zeigen, was an der Isar Weißwurst ist. Und zwei sollten es schon sein. Es wurden dann sogar drei. Paule (Machtwort des Gastgebers) wollte seinen Neuhausener Hausmetzger Sebastian Hirschvogel unbedingt auch dabei haben.
Eins noch. Die Sache sollte ausdrücklich weder nach dem Motto “in München können sie auf dem Wasser gehen” (= vor Ehrfurcht winken wir alles durch), noch nach dem Ansatz “wer ein Haar sucht, findet auch eins” (= unserem Anspruch wird selten jemand gerecht) laufen. Entspanntes Weißwurstfrühstück im Kreis zweier Familien (+ x: Die üblichen Fragen und Verkostungsnotizen).
Das ist Metzgermeister Magnus Bauch. Seine Metzgerei befindet sich in der Thalkirchner Straße 61-63 in 80337 München. Mir sind keine Filialen bekannt. Trotzdem dreht Bauch ein großes Rad. Im Großhandel. Eigentlich nicht mein Fall. Aber er hat einen legendären Ruf (besonders auch beim Leberkäse).
Meine Frage-Mail wurde von ihm persönlich innerhalb von gut 3 Stunden beantwortet – Respekt! Seine Antworten:
1. Sind in Ihren Weißwürsten künstliche Aromen, Zusatzstoffe oder Geschmacksverstärker? Wenn ja, welche? “In unseren Weißwürsten befinden sich weder künstliche Aromen noch Geschmacksverstärker. Prozessbedingt verwenden wir bei der Herstellung folgende Zusatzstoffe: Antioxidationsmittel E301, Stabilisator E331, Emulgator E471, Säurungsmittel E330 und Verdickungsmittel E331.”
2. Geben Sie Zitrone zu? In welcher Form? “Wir geben Zitrone in Pulverform zu.”
3. Wie ist das Mischungsverhältnis – Kalb/Schwein – beim Magerfleischanteil in Ihren Weißwürsten? “Der überwiegende Anteil des Magerfleischanteiles (min. 51%) ist Kalbfleisch.”
4. Gibt es Ihre Weißen jeden Tag (Montag – Samstag) frisch? “Unsere Weißen gibt es täglich, auch Samstag tagesfrisch hergestellt.”
5. Woher kommen die Tiere, deren Fleisch für Ihre Weißwürste verarbeitet wird? Je genauer Sie die Region/die Lieferanten eingrenzen können, umso hilfreicher wäre das für mich. “Die Tiere deren Fleisch für unsere Weißwürste verarbeitet wird, stammen größtenteils aus dem bayerischen Raum (Schlachtung in München) oder situationsbedingt aus anderen deutschen Schlachthöfen. Herkunft der Tiere ist ausschließlich Deutschland.”
6. Wo werden diese Tiere geschlachtet? “Siehe Frage 5.”
7. Gibt es (noch) etwas, was ich Ihrer Meinung nach zu Ihren Weißwürsten wissen sollte? “Seit 2005 lückenlose Goldmedaille durch die strenge Prüfung der Metzgerinnung München, mehrmalig mit der Goldmedaille der DLG ausgezeichnet und ganz zum Schluss das wichtigste überhaupt, unser Leitspruch: „Weil es nicht Wurst ist, was in der Wurst ist’.”
Zusammen mit Susi bin ich am Samstagvormittag in der Metzgerei. Zuvor hatte ich nachgefragt, ob ich ausnahmsweise (als Endkunde) am Samstag einkaufen kann. Wir wollten unbedingt tagesfrische Würste verkosten. Und das sind sie:
In Ingolstadt kann man sie übrigens im Weißbräuhaus zum Herrnbräu (Dollstraße 3) zu sich nehmen.
Magnus Bauch stand zufällig vor seinem Laden. Gut so! Das gab Gelegenheit zu einem kleinen Schwatz und obigen Fotos. Sympathisch ist er! Zum Abschied drückte er uns noch eine “Weiße im Ring” in die Hand. Eine Variante von Stock- und Weißwurst:
Sieht so klein aus – hat aber 355 Gramm! Wir haben sie erst zuhause in Ingolstadt probiert. War nicht so mein Fall (sehr fest und geschmacklich vollkommen monoton).
Weiter ging es zur Gaststätte Grossmarkthalle in die Kochelseestraße 13, 81371 München. Das schöne historische Wirtshaus (1912) wird heute von Metzgermeister Ludwig Wallner zusammen mit seiner Schwester(!) Gabi Walter geführt. Sie setzen die Tradition ihrer Eltern Luise und Heinz Wallner fort.
Zuckerl am Rande: Das Wirtshaus wird im Genussführer von Slow Food Deutschland geführt!
Die Weißen werden hausgemacht. Das hat (selbst in München) inzwischen Seltenheitswert (mir fallen hier nur noch Franziskaner, Spöckmeier und Hofbräuhaus ein). Es gibt sie im Wirtshaus fertig zum Verzehr oder am Küchenschalter für außer Haus.
Als wir ankommen ist nur Frau Walter da. Sie bedeutet uns die Ankunft ihres Bruders in 30 Minuten. Wir waren nicht verabredet, warteten zum Händeschütteln (Michael Pollan: “Shake the hand that feeds you!”) bei einem Kaffee aber gerne.
Sehr sympathische Leut! Nach ein wenig interessanter Fachsimpelei (Kollege Bauch wurde übrigens von Wallner – gerade auch unter Berücksichtigung dessen Betriebsgröße – lobend bewertet) ging es zurück nach Neuhausen. Mit diesen wunderschönen Würsten:
Weil ich keine Mailadresse hatte, stellte ich die Fragen zu den Weißwürsten zuvor per Telefax. Herr Wallner rief mich daraufhin zurück und gab folgende Antworten:
1. Sind in Ihren Weißwürsten künstliche Aromen, Zusatzstoffe oder Geschmacksverstärker? Wenn ja, welche? “Ich arbeite mit einer eigenen Gewürzmischung. In dieser ist auch der Geschmacksverstärker Mononatriumglutamat enthalten.”
2. Geben Sie Zitrone zu? In welcher Form? “Zitrone in Pulverform zu.”
3. Wie ist das Mischungsverhältnis – Kalb/Schwein – beim Magerfleischanteil in Ihren Weißwürsten? “100% Kalbfleisch. Gemäß der Familientradition.”
4. Gibt es Ihre Weißen jeden Tag (Montag – Samstag) frisch? “Ja.”
5. Woher kommen die Tiere, deren Fleisch für Ihre Weißwürste verarbeitet wird? “Im Schwerpunkt aus Bayern. Bei Engpässen auch aus dem restlichen Deutschland.”
6. Wo werden diese Tiere geschlachtet? “München. Gegebenenfalls (siehe Antwort unter 5.) in einem Schlachthof in Deutschland.”
Meine Frage, ob man seiner Meinung nach eine Zitrusnote bei den Weißen riechen soll, verneinte er. Gerne aber, darf man so bereits die Petersilie wahrnehmen – sprach der Meister. Das mit der Zitrone lasse ich jetzt mal so stehen … Ich werde mir dazu in einem eigenen Beitrag meine Gedanken machen. Sehr wichtig, so Waller noch, ist ihm, dass die Weißen wirklich jeden Tag frisch gemacht werden.
Auf dem Heimweg nahm Susi bei der Metzgerei Sebastian Hirschvogel, Volkartstraße 21, 80634 München (da keine Website, Tel. 089-16 11 32) noch diese Weißen mit:
Die familiengeführte Metzgerei besteht seit 1904. Erfreulich ist, dass es hier Schwäbisch-Hällisches Landschwein gibt. Paule kümmerte sich im Nachgang um weitere Details. Hier die Infos der Metzgerei zu ihren Weißwürsten:
Meister Hirschvogel würzt u. a. mit Selleriesalz. Darin (der Selleriesalzmischung) ist auch der Geschmacksverstärker Mononatriumglutamat enthalten. Der Kalbfleischanteil beträgt bei ihm 70 % (vom gesamten Mageranteil). Die Weißen werden jeden Tag (außer dienstags) frisch hergestellt. Das Fleisch dafür bezieht er neben der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (Schwein) vom Fleischgroßhändler Lehner und Friedinger.
Das Weißwurstfrühstück nahm Gestalt an. Auch die Nebenrollen waren hervorragend besetzt:
Paule. Mia, Moritz und Jule. Rechts oben – Aufschnitt: Wallner, Bauch. Rechts unten – Scheiben: Bauch, Wallner. Händlmaier:
Friede, Freude, Weißwurst:
Die Würste wurden selbstredend in verschiedenen Töpfen gehalten, um Verwechslungen auszuschließen. Nachdem der padrone irgendwann alle Fotos im Kasten hatte, widmete er sich seinerseits den Probanden. Ich nehme jetzt – dramaturgisch verheerend – mein Testergebnis vorweg. Alle Kandidaten, wirklich alle drei waren hervorragend!
Marmorierung:
Alle drei Kandidaten: Ausreichend Petersilie in unterschiedlicher Größe, ordentlich verteilt.
Duft:
Bauch: Fleischbrät. Homogen.
Wallner: Fleischbrät. Petersilie. Homogen.
Hirschvogel: Fleischbrät. Homogen.
Jeweils keine Zitrusnote. Am nächsten Tag hatte ich noch jeweils eine Wurst vom Bauch und vom Wallner (der padrone wirft ungern was weg und bleibt im Übrigen dran…). Beim Bauch war jetzt eine Zitrusnote erkennbar.
Mundgefühl:
Alle drei Kandidaten: Herrlich flaumig. Wollig. Zarter Biss, saftig. Zergeht nach einigen Bissen auf Zungendruck am Gaumen. Wallner ein Tick weicher als die beiden anderen.
Geschmack:
Bauch: Petersilie. Würze. Schöne Aromatik. Absolut ausgewogen. Geschmack hat Länge.
Wallner: Petersilie. Würze – Tick weniger als Bauch. Schöne Aromatik. Absolut ausgewogen. Geschmack hat Länge.
Hirschvogel: Würze – Milder als Wallner. Schöne Aromatik. Gut ausgewogen. Geschmack hat Länge.
Preis:
Bauch: 8,15 EUR/kg
Wallner: Verkauf stückweise. 1,35/Stück
Hirschvogel: 11,90 EUR/kg
Bauch: Note: 1
Wallner: Note: 1+
Hirschvogel: Note: 1
Die Würste aller drei Metzger waren sehr gut. Ich bin nicht wirklich überrascht (außer bei Meister Hirschvogel vielleicht – weil mir vorher unbekannt). Im Kessel waren die Weißen der besten Münchner Manufakturen! Unter den Ingolstädter Testbedingungen und bisherigen Erfahrungen gebe ich drei Mal die Note 1. Der Wallner bekommt aufgrund seiner perfekt ausgewogenen Würze und dem tatsächlich erfüllten Petersilienbekenntnis des +. Ich konstatiere, dass ich mich hier im Nuancenbereich bewege und alleine eine andere Tagesform einen anderen Ausschlag (im Nuancenbereich) ermöglicht. Für heute sind die Würfel aber gefallen. Bemerkenswert, wirklich bemerkenswert ist, dass die Weißen vom Bauch ohne Geschmacksverstärker so aromatisch mundeten.
Die Wertungen meiner Mittester:
Wie Paule zu seinem Bauch-Urteil gekommen ist? Ich überlege heute noch … Großer Dank gebührt ihm für die Bekanntmachung von Meister Hirschvogel.
Mit diesen Eindrücken aus München ist mein Koordinatensystem weiter gefestigt worden. Die Ingolstädter Spitze muss sich nicht verstecken. Mit den Wallner-Weißen habe ich jetzt eine Referenz. Und die nächste Extrawurst wartet schon.
Schade…das mit den Glutamaten…
…das ist Gift. Geht aber auch ohne.
Schmeckt auch ohne. Z.B Metzgerei Probst…
Hatten auch schon den 1. Platz für Weißwürscht
Sehr geehrte Testesser,
leider bin ich mit Ihren Ergebnissen nicht einverstanden & kann
es nicht nachvollziehen.
Die Weisse vom Wallner, welche ich schon mehrfach genoss, ist zwar sehr gut, jedoch kommt sie an Bauch’s nicht heran.
Bauch’s Weisse genoss ich bereits im Alter von 13 & muß sagen, daß sie stetig gleichbleibend top ward&ist.
Von daher kann ich den Ausgang Ihrer Testung nicht wirklich nachzuvollziehen. Auch wenn er, wie sie sagen, “im Nuancen-Bereich” zu treffen gewesen ist.
Trotzdem danke ich Ihnen natürlich herzlich zur Durchführung & hoffe, daß die nächste Testung den von mir favorisierten & mit Abstand besten Metzger Weltweit Magnus Bauch als Sieger findet.
Vielen Dank für Ihre Mühen
Mit freundlichen Grüßen
Deminger Stephan
Wenn mir nach Weißwurst ist, fahre ich von Ismaning zum Wallner in die Großmarkthalle gerne die 17 Kilometer und zurück. Aber eine andere Weißwurscht
kommt mir nicht auf den Tisch!
Hier im Norden festzusitzen, zwar mit Weißwürsten (naja), aber definitiv ohne Brezen, und dann sowas lesen zu müssen (dürfen) …
Auch von mir: Danke fürs mitnehmen.
🙂 “Fürs mitnehmen” ist gut katha! Genau das wollen wir mit unseren Bemühungen!
Lieber Michael,
es liest sich wirklich gut, Dein Weißwurst-Dossier. In jedem Fall hat sich unser Samstag-Morgen-Ausflug mehr als gelohnt (sollten wir öfter machen!), um Ecken “meiner Stadt” im Morgengrauen zu entdecken, die ich bisher nicht kannte…
Beste Grüße aus München,
Susi
könntest du das nächste mal einen warnhinweis zu beginn bringen? nicht am sonntag vor 12 uhr zu lesen? wäre hilfreich gewesen. denn: was mache ich jetzt in wien ohne weißwürscht? danke fürs mitnehmen auf die exkursion. frau cucinacasalinga hat das mit dem wallner übrigens immer schon gewusst.