Erst vor wenigen Tagen durfte ich hier über den Besuch in Rosis Obstgarten berichten. Ich will bei den Obstbäumen bleiben. Heute allerdings an einem Ort, den die wenigstens dazu auf der Rechnung haben dürften: Direkt an der Ingolstädter Altstadt!

Kann sich noch jemand an die Steyler Missionare Auf der Schanz in Ingolstadt erinnern? Mich verbindet vielerlei mit dieser Örtlichkeit. So besuchte ich als kleiner Bub mit meinem Opa des Öfteren die Ordenskirche und den kleinen Missionsladen. Später, als das Christoph-Scheiner-Gymnasium Anfang der 80er Jahre aus allen Nähten zu platzen drohte, wurden für einige Jahre Klassen in das klösterliche Seminarhaus ausgelagert. Ich war dabei. Und nach dem Abzug der Mönche öffnete hier 1989 die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt ihre Pforten. Damit regt sich 189 Jahre nach Verlagerung der Universität Ingolstadt nach Landshut endlich wieder studentisches Leben in unserer Stadt! Sehr liebe Menschen, mit denen ich im gleichen Jahr Abitur gemacht habe, nahmen hier jetzt ihr Studium auf. Im Kirchenraum, dem Kirchenschiff mit Chor und Empore, wurden übrigens der Lesesaal und die Bibliothek eingerichtet. In der alten Turnhalle der große Hörsaal.

Südlich dieser Bauten, dem Campus gleichwohl zugehörig, befindet sich noch heute der “Steyler Obstgarten”. Dieses herrliche Kleinod am Rande der Altstadt wurde zeitig nach Ende des Zweiten Weltkriegs von den Steyler Missionaren angelegt, ist also heute knapp 70 Jahre alt. Damals, während des Exils vom Christoph-Scheiner-Stammhaus, war es für uns der schönste Pausenhof der Welt!

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Das im Eigentum der Universität befindliche Gelände ist eigentlich für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Ein Schild am Eingang (Auf der Schanz 49) verweist darauf. Die Anwesenheit des kontemplationshungrigen Besuchers im Garten erfährt aber erfreulicherweise eine sehr wohlwollende Duldung der Verwaltung. Allerdings auf eigene Gefahr, wie mir Frau Wallner (0841-9371802) ausdrücklich mit auf den Weg gibt. Sogar das Aufklauben von Fallobst ist erlaubt – die Bäume selbst also bitte in Ruhe lassen.

Im Kooperation mit dem Obst- und Gartenbauverein Mitte hat das Gartenamt Ingolstadt Anfang der 90er Jahre alle Obstbäume nach eindeutiger Bestimmung mit einer entsprechenden Metallmarke gekennzeichnet. Schöne Würdigung der besonderen Eigenart dieses Fleckens.

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Eine Bestandsaufnahme des Gartenamts aus dem Jahr 1997 erfasste 64 Bäume (lieben Dank an die Herrn Bauer und Wüst für die Liste). Ich will noch einen Walnussbaum und einige Rebstöcke, die das Gebäude zur Straße beranken, hinzufügen.

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Welch köstliche Vielfalt! Ich stelle mir die Patres – in ihrem Refektorium den Nachtisch genießend – vor: Apfel- und Birnenkompott aus Orangenrenette, Goldparmäne, Grüner Sommermagdalene und Madame Verté. Ein Stück Zimtrinde neben dem Weißen Winterglockenapfel …

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Zur Blüte im nächsten Frühjahr werde ich mich wieder in den Garten setzen und den Bienen und Hummeln lauschen.

Ein bisschen Irrsinn habe ich noch. Im Rahmen der Umbauarbeiten für den Einzug der Universität war natürlich geplant, den Obstgarten zu fällen und einen Parkplatz (arrgh!) daraus zu machen. Die Ingolstädter Gruppe des Bund Naturschutz hat damals dagegen gehalten. Und – diese Geschichte haben mir zwei Personen unabhängig voneinander bestätigt – als sich dann noch der von mir hoch verehrte Dieter Wieland in die Geschichte einschaltete war die Geistesstörung schnell behoben. Es sei hiermit nochmals daran erinnert, dass Wieland im Rahmen der laufenden Ausstellung (07.07. bis 31.10.13) “Radi, Rosen, Heckenschere – Ingolstädter Gartengeschichten” im Bauerngerätemuseum Ingolstadt  am 19. Oktober um 14:00 Uhr einen Vortrag (30 Jahre “Grün kaputt”) halten wird.

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Jammerschade, dass das Obst im Steylergarten nicht (mehr) wirklich Verwendung findet …

Ansonsten sei bei Bedarf an die wertvolle Arbeit der Mostereien in vielen regionalen Obst- und Gartenbauvereine (Portal Oberbayern) erinnert. Besonders aktiv sind hier die Mitglieder in Böhmfeld und Kösching.

8 Kommentare

  1. Author

    Danke für Ihre persönlichen Zeilen Joachim Knobe.

  2. Ich war in den 80er Jahren sehr oft , über mehrere Tage, zu Besuch in dem damaligen Kloster. Ein Großonkel von mir war dort als Bruder. Es war die Zeit, in der Pater Zerwes Rektor dort war.
    Ich habe den Obstgarten kennen gelernt, weil ich oft dort mithalf, das Obst zu ernten, bevor es Bruder Matthias in jeglicher Form zu veredeln wusste.
    Es war für mich immer ein Ort der Ruhe und Flucht vom hektischen Alltag. Ich war damals zwischen 16 und 20. Auch später war ich noch öfter dort, bis mein Großonkel, Bruder Fidelis, verstarb.
    Es war eine Zeit, an die ich mich sehr gerne zurück erinnere. Sie hat mich geprägt, so sehr, dass ich sogar die Gedanken hegte, dem Orden beizutreten.

  3. Author

    Wie soll diese Nachricht aussehen Frau Blumthaler? Eine tagesaktuelle Bestandsaufnahme von mir über den Zustand des Fallobstes vor Ort, getrennt nach Sorten? Am besten gleich mit Fotos?

  4. bin durch zufall auf diese seite gestossen, hätte schon interesse am fallobst u.ä
    wenn natürlich nicht zu verfault. vielleicht könnte ich eine nachricht erhalten
    mfg

  5. Author

    Liebe Kaltmamsell, nach meinen Informationen befürchtet man bei der Ernte direkt vom Baum, dass dieser in Mitleidenschaft gezogen wird (abgebrochene Äste, Bäume schon alt, etc). Und man ist in Sorge, dass sich Menschen dabei verletzen könnten… Andererseits glaube ich, richtig vorbereitet, angemeldet und mit der Verwaltung konkret abgesprochen…!

  6. Die Steyler-Pfütze! Dorthin mussten wir Reuchlin-Schülerinnen mindesten zwei Schuljahre lang zum Schwimmen. Das Wasser war derart Chlor-übersättigt, dass wir Chlortabletten vom Boden des Beckens hochgetaucht haben.
    Und mindestens einen Steyler-Pater hatte ich als Religionslehrer.

    Wieso wird das Obst nicht verwendet? Gibt es keine Möglichkeit, sich rechtzeitig zum Ernten anzumelden und es heimzunehmen?

  7. Author

    Danke Stefan. FB-Kommentare sind einfach viel zu schnell wieder weg vom Fenster. Bei aller Praktikabilität für das spontane Statement dort.

    Auf dieser Laufbahn waren wir auch unterwegs. Da gab es Sportnoten auf Basis der objektiven Vorgabezeiten. Und das bei Kirschbaumwurzeln unter dem aufgebrochenen Belag und der Karree-Form… Praktischer Umgang mit dem Verbandskasten im Sportunterricht…
    Das Schwimmbad kenne ich vom Hörensagen. Das (ebenfalls geschlossene) Schulschwimmbad der Grundschule gegenüber, war das erste Lehrschwimmbecken Ingolstadts.

  8. (Ok, auf ausdrücklichen Wunsch, hier mein FB-Kommentar)

    Der eigentliche Obstgarten ist auf der Südseite, da habe ich eigentlich keine Kindheitserinnerungen. Im Gegensatz zur anderen Seite. Wir sind vom Reuchlin aus jahrelang zum Sport dorthin marschiert, weil es dort auf der Nordseite des Gebäudekomplexes rund um das Rasengeviert (Bolzplatz) unter den Obstbäumen (viele Kirschen) eine Laufbahn gab. In unbeobachteten Momenten gelang es uns, einen Kirschbaum zu ersteigen, ein paar Kirschen zu hamstern, wieder herunterzukommen und weiter zu laufen, als wäre nichts gewesen. Und wenn wir schon bei den Steylern sind: In dem Gebäude am nördlichen Ende des Geländes, zur Von-der-Tann-Straße hin gab es früher ein Hallenschwimmbad (heute wäre so was wahrscheinlich wegen Legionellen-Gefahr geschlossen oder verboten), da gingen wir als Grundschüler von der Schanz rüber zum Schulschwimmen. Die Schanz hatte auch ein eigenes Schulschwimmbad, das war erinnerlich genau so eine Kloake.

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