Frei nach Loriot ist ein Leben ohne Biergarten möglich, aber sinnlos. In Ingolstadt sieht es in dieser Hinsicht, sagen wir mal, nicht optimal aus – eine Qual der Wahl ist jedenfalls was anderes. Ich spare mir an dieser Stelle jetzt eine Listung der (sehr wohl vorhandenen) Sommerretter, des (schon lang auseinandergezogenen) Verfolgerfelds und der (absolut hoffnungslosen) Nachhut. Wir können das gegebenenfalls in den Kommentaren diskutieren.

Eine Stätte würde bei der Aufzählung allerdings fehlen. Sie ist derzeit geschlossen. Dabei wäre sie die Begnadetste. Die einmalige Mischung aus Lage, Atmosphäre, Architektur, Natur, Historie und Verwendungsspielarten machen sie dazu. Und doch hat sie mich enttäuscht. Immer und immer wieder. Vielleicht gerade deshalb. Was hat man nur aus diesen herrlichen Rahmenbedingungen gemacht …

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Hans Fegerts hilfreichem Buch “Alte Ingolstädter Brauereien und Wirtshäuser” ist zur “St. Antonius-Schwaige” zu entnehmen, dass diese von August Ponschab am 28. Mai 1905 mit einem Konzert der Kapelle des Kgl. Bayer. 10. Infanterie-Regiments als Sommerwirtschaft eröffnet wurde.

1870 war hier noch ein Stadel für die Stadtbauern, 1902 dann eine Flaschenbierabgabestelle der Bergbräu-Brauerei (1918 Übergang an das Bürgerliche Brauhaus, heute Herrnbräu). August Ponschab war übrigens von 1912 bis 1918 (für die Zentrumspartei) und dann wieder von 1920 bis 1924 (für die Bayerische Volkspartei) Abgeordneter des Reichstags in Berlin. Die Antoniusschwaige vermachte er zu Lebzeiten seinem dritten Sohn Anton, worauf sich auch der Name der Stätte bezieht.

Der heute 29 Jahre alte Anton Wittmann ist der Urenkel von August und der Enkel von Anton Ponschab:

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Von 1987 an bis Ende September 2013 war die „Schwaig“, wie er sie ohne seinen Vornamen nennt, an die verschiedensten Wirte verpachtet. Jetzt wird sie wieder von der Familie selbst bespielt! Noch aber laufen die ehrgeizigen Umbau- und Renovierungsarbeiten. Frisch erstrahlt bereits das Bildnis (von Johannes Eppelein) des Heiligen Antonius von Padua (1195-1231) bei seiner “Fischpredigt”:

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Nach vielen Lehr- und Wanderjahren – darunter sogar Küchenchef auf 2.330 m Höhe in einer Schweizer Berghütte – sieht er sich gut gerüstet und hochmotiviert, zum Thema Biergarten in Ingolstadt ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Am vergangenen Sonntag habe ich ihn vor Ort besucht. Die dabei angekündigten Taten – die zu messen ich beabsichtige – haben mir ein bis in den Abend anhaltendes Dauergrinsen ermöglicht.

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Die Antoniusschwaige wird täglich von 10 bis 23 Uhr geöffnet sein. Dienstag ist Ruhetag. Bedient werden der bekannte Gast- und Nebenraum im Haupthaus, der Saal rechterhand des Eingangs und der gesamte Biergarten. Dazu (große Freude!) die im nördlichen Bereich liegende Terrasse und die beiden feinen Salettl.

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Dort saßen in den 20er und 30er Jahren bei Reitturnieren und Sängerfesten immer die Großkopferten … Die sattsam bekannte VIP-Mischpoke unserer Stadt wird es hingegen schwer haben. Der ganze Areal ist nämlich heizpilzfrei und wird es (ganz große Freude!) bleiben.

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Zum Leib- und Magenthema, der Küche. An ihm scheitern die meisten Biergärten. Es wird eine „qualitativ hochwertige bayerische Küche“ geben, so Wittmann. Kein Convenience, Soßen und Suppen werden z. B. selbst angesetzt. Regionalität und Saisonalität bestimmen federführend den Einkauf. Sämtliche Fleisch- und Wurstwaren kommen, das sei bereits verraten, von der Metzgerei Joseph Huber.

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Während Wittmann die Küche regiert, wird seine Lebensgefährtin Monika Scheu (die beiden haben sich auf bereits erwähnter Berghütte gefunden) den Service leiten.

Auf der sehr schmalen Karte (Wittmann: “Der Frische und Vermeidung von Fertigprodukten geschuldet”) werden sich um die sieben Hausessen, unter anderem die Schaukelbremserpfanne, eine Anspielung auf das beliebte, historische Spielgerät im Garten, einige tradierte Brotzeiten und zwei oder drei wechselnde Tagesgerichte finden. Vegetarier sollen nicht zu kurz kommen.

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Die Glocke der St.-Antonius-Kapelle schlägt jeden Tag um 7, 12 und 19 Uhr.

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Jeden Freitag kommen selbst geräucherte Forellen aus der Region auf den Tisch. Aus den Hähnen fließt Herrnbräu. Die Weine kommen – auf die Karte bin ich gespannt! – ausschließlich aus Franken, Württemberg, Baden und Österreich.

Lindenpracht mit Eiche:

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Ob er die Eier vom zu Recht berühmten Hühnergehege vor der Tür (es gehört zum Hof nebenan, der von einer Cousine Wittmanns bewirtschaftet wird) beziehen wird, habe ich ihn noch gefragt. Die werden nicht reichen, er wird aus anderer Freilandhaltung zukaufen müssen, hat er geantwortet. Doppelpunkt! So spricht jemand, der wirklich auf z.B. Fertig-Spätzle verzichten wird und auch kein Flüssig-Ei neben der Pfanne hat.

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Ein großer Sommer steht uns bevor. Es wird auf jeden Fall einen weiteren Platz, eine geeignete Bühne geben, wo man ihn sich gut einfangen kann. Noch 16 Tage Vorfreude.

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Dann ist es soweit. 1. Mai 2014:

Der Maikäfer grüßt – man grüßt zurück! Man kenntn ja persönlich. „Wohin des Wegs, Kamerad?“… Durscht! Öhha! Ein Erkenntnisprozess bahnt sich an. Langsam greift man zum Krug und führt den selbigen zum Kopf. Niemals mit dem Kopf zum Krug! Und dann hält man inne. Es könnte vielleicht noch ein Gedanke daherkommen! Nein. Das ist unwahrscheinlich.“ (der nicht hoch genug zu verehrende Genius Gerhard Polt, frei gekürzt aus seinem Stück „Gemütlichkeit“).

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Auf der Website tut sich (noch) nicht viel. Bei Facebook gibt es einige Bilder vom Umbau. Adresse: Antoniusschwaige 47, 85049 Ingolstadt. Natürlich mit dem Radl!

6 Kommentare

  1. Hey ho!

    Ein großes Lob an die Küche, den Service und das ganze “Drum Herum”! War echt super! Macht weiter so!

  2. Für mich war die Antoniusschwaige wegen der Lage, und dem historischen Ambiente immer der Biergarten Nummer 1 in Ingolstadt (persönlich auch wegen dem Namen…) Aber egal welcher Wirt die Gaststätte belegte, es gab meistens lieblos auf “bayerisch traditionelle Küche” gemachte Fertigprodukte. Ich freue mich richtig darauf, wenn dieser herrliche Ort endlich eine gute und ehrliche Gastronomie mit sympathischem Service bekommt.
    Dann kann kein anderer Biergarten in Ingolstadt mehr mithalten, auch wenn überall versucht wird, die Bedienungen mit einem übertriebenen Lederhosn- und Dirndlstil auszustatten.
    Einmal die Woche werde ich mindestens dort sein – und schliesse mich Michael und padrone an: am liebsten an vollen Tischen.

    Grüsse,

    Anton.

  3. Wir freuen uns , dass die Antonius-Schwaige wieder in Familienhand ist!
    Seit Jahren feiert unsere Familie dort seine Familienfeste. Nach der Taufe freuen wir uns auch zur Kommunion unseres Sohnes 2015 kommen zu dürfen. Und diesmal sind wir uns sicher, dass Essen und Service bestimmt passen!
    Alles Gute wünscht Klaudia Niedermeier.

  4. Author

    Das ist jetzt ein bissl wie – lieber reich und gesund, als arm und krank – Michael von Benkel. Gerade im Biergarten ist man eigentlich nicht lange allein… Und tagsüber, zur Mittagshitze im Schatten – da kann Alleinesein fast schon meditativen Charakter haben (Polt fragen!). Mit interessanten Freunden zu guten Gesprächen will ich IMMER auch etwas GUTES essen und trinken – alles greift dann auf wunderbare Weise ineinander.

  5. Seien wir doch mal ehrlich: Der beste Biergarten taugt nichts, wenn man dort allein sitzt. Wenn man aber mit interessanten Freunden bei guten Gesprächen etwas ißt und trinkt, ist es fast schon egal, wo^^

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