Auf dem morgendlichen Weg zur Kanzlei komme ich in der Altstadt von Ingolstadt immer an der Ecke Gartengasse/Griesbadgasse, gelegen zwischen Münster und Scherbelberg, vorbei. Dort fällt mein Blick stets auf diese wunderschöne Hausinschrift:

Ehemalige Bäckerei Westenthanner.

„Bäckerei und Mehlhandlung“ und „1912“ ist zu lesen. Im Korb zu Füßen der beiden stolzen Löwen erkenne ich auf jeden Fall ein Eiweckerl (links), einen Zopf (Mitte) und ein Brot (rechts).

Die Breze darunter war schon unzählige Male Ziel von Wettläufen mit meinem Buben auf dem Weg nach Hause: „Wer zuerst bei der Breze ist – los!“ Diese Läufe konnte ich bisher nie für mich entscheiden …

Stufen führen hinauf zum ehemaligen Ladengeschäft. Es gibt ein Schaufenster. Dahinter ist heute eine Wohnung. Was war das für eine Bäckerei? Seit wann gibt es sie nicht mehr? Gab es eine Spezialität des Hauses? Die Alteingesessenen des Viertels kümmerten sich um meine Neugier. Das war zu erfahren:

Westenthanner. Bäckerei Westenthanner – so hieß sie. Geführt wurde diese von den Eheleuten Maria und Xaver. Beide ruhen heute friedlich auf dem Westfriedhof. Beim Eintritt in den kleinen Laden mit Steinboden bimmelte stets eine Türglocke. Den Verkauf führte Frau Westenthanner. Durch eine kleine Durchreiche war der Verkaufsraum mit der Backstube verbunden. Hier werkelte ihr Mann, der Bäckermeister. Angestellte gab es keine.

Das überschaubare Angebot umfasste verschiedene Brote und Semmeln, einige selbstgemachte Kuchen und Torten sowie offen verkauftes Mehl. Spezialität des Hauses waren unbestritten die mit Zuckerguss überzogenen Hörnchen und Schnecken aus Hefeteig. Rezeptanfragen dazu wurden mit der Zusicherung, diese ins Grab mitnehmen zu wollen, abgewehrt und leider auch so eingelöst. Für die Kinder im Viertel war eine Art Bonbonnieren-Karussell das Höchste der Gefühle. Es stand gleich am Anfang der Verkaufstheke und war mit verschiedenen Pfenning-Guadl bestückt. Bärendreck, Traubenzuckerherzl, Frigostangerl, usw. Die Westenthanners werden als freundlich, aber auch sehr korrekt beschrieben. Gab man z. B. 17 Pfennige – wurden akribisch genau auch 17 ausgesuchte Guadl auf der Theke ausgezählt und eingepackt … Über den Zeitpunkt der Schließung der Bäckerei gibt es unterschiedliche Meinungen. Es soll aber so Anfang der 70er Jahre gewesen sein.

Mit diesem Wissen glaube ich manchmal im Vorübergehen am Ende der Gartengasse eine Türglocke zu hören. An diesen Tagen gibt es in der Kanzlei zum Kaffee immer ein Hörnchen.

2 Kommentare

  1. Vielen Dank für die ausführliche Information.Sehr interessant war zu lesen,das Herr Westenthanner alles selber gemacht.Es muss mühselig gewesen sein.Einer der interessantesten Geschichten von mein Bäckermeister Johann Lang zu hören war,”wenn im Winter alles so verschneit war,haben wir Brote mit die Pferdeschlitten gefahren.”

  2. Dieses Wappen mit Inschrift ist noch von meinem Urgroßvater Herrn Gottfried Zierer, seinerzeit Magistratsrat und Bäckermeister in Ingolstadt.

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