Sechs Tage haben ihr gefehlt. Meiner Großtante Anni. Nur sechs Tage – zu ihrem 104. Geburtstag! Zum 100. hatte ich ein kleines Problem. Geboren am 25. Juni 1914 – ein Tag an dem der Begriff Weltkrieg – geschweige denn dessen Nummerierung – noch Theorie war. Am 19. Juni 2018 ist sie friedlich eingeschlafen … Vergangen Freitag war ich mit meinem Vater auf ihrer Beerdigung in Kreuzwertheim. Ein Ereignis, das mich dann doch mehr berührte, als ich es mir auf der Hinfahrt ausmalte … Der (heute) unterfränkische Familienteil hat der Begegnung eine ergreifende Tiefe und Würde verliehen. Annis Leben zog noch einmal an uns vorbei. Absolut prägend – 1944 die Flucht aus Oberschlesien. Anni, ihre ersten beiden Kinder, ihre Schwester (meine Oma) mit meinem gerade geborenen Vater und seinem einjährigen Bruder (die Väter an irgendeiner Front …) machten sich auf den Weg nach Westen. Ohne Hab und ohne Gut – das bisherige Lebenswerk zurücklassend. Von jetzt auf gleich. Am ersten Abend waren sie so weit weg von zu Hause wie noch nie zuvor … Sicher ein Grund warum ich mit „besorgten“ Bürgern von heute sehr, sehr wenig anfangen kann.
Schnitt. Auf der Heimfahrt kehrten wir in ein ganz wunderbares Wirtshaus ein. Durchaus im Sinne von Großtante Anni und Michael Pollan – „Essen Sie nichts, was Ihre Großmutter nicht als Essen erkannt hätte.“ Davon gibt es hier kein bisschen – im Gasthof Winkler Zum goldenen Ochsen – in Alfershausen (Thalmässing):
Selbstredend ist es im Slow Food Genussführer gelistet – aufgenommen durch die Freunde in Nürnberg – gut gemacht!
Aus dem Hahn fließt Pyraser. Ich startete sogleich mit einem regionaltypischen Rotbier:
Schöne Dramaturgie. Auf der Hinfahrt fiel mir dieses Gefährt auf:
Opening statement der Speisekarte: „Die Kultur des Essens zählt zu den schönsten Lebensfreuden, die Kunst der Speisenzubereitung zu den schönsten Lebenskünsten. Wir wollen Sie mit unseren Vorstellungen einer guten Küche vertraut machen.“
Am Freitag ist bei den Winklers Schlachtfest (wir sind im protestantischen Mittelfranken). Die Tiere stammen aus der eigener Landwirtschaft – geschlachtet wird unmittelbar vor Ort – selbst! Solchen Gemengelagen sollte man sich widerstandslos hingeben. Brot mit Bratwurstgehäck (viel Paprika), Radieschen und frischen Zwiebeln:
Unmittelbar am Wirtshaus führt die Radlstrecke der Challenge Roth (weltweit größter Wettkampf auf der Triathlon-Langdistanz) vorbei. Dieser fand zuletzt am vergangenen Sonntag statt. Der ein oder andere Protagonist übernachtet hier im Haus. Mit einer eigenen Nudelkarte (hausgemacht!) wappnete man sich für den erhöhten Bedarf an Kohlenhydraten:
Die Menschen die diesen herrlichen Ort beleben und beseelen: Christian, Marianne und Thomas Winkler:
Nach dem Essen ging es noch einen Sprung auf die Weide. Thomas Winkler fuhr mit dem Fahrrad voraus. Hier grasen seine Hereford-Rinder:
Die Winklers sind Bauern, Metzger und Köche. Und ganz Mittelfranken – sie haben natürlich auch eigene Teiche. Im Herbst werde ich mir hier ganz sicher einen Pfefferkarpfen schmecken lassen – Vorfreude!
Meine unbedingte Empfehlung – Vorsicht! – am Donnerstag ist Ruhetag.
Kathi – es gibt auch (von Natur aus) hornlose Hereford-Rinder. Weiß aber nicht, ob die Winklers diese halten. Wäre aber für einen Vegetarier auch keine Option.
Ja, das klingt nach einer bodenständigen, guten Einkehrmöglichkeit.
Allerdings sticht mir bei den Fotos von der Weide ein Missstand traurigerweise eins Auge. Finde den Fehler! Kleiner Tipp: Zum Vergleich auch das Wirtshausschild bzw. den Metallochsen beäugen. Und, Groschen gefallen? Richtig! Die Hörner fehlen! Ich weiß, in der heutigen Zeit muss man ja schon froh sein, wenn das Fleisch nicht aus der anonymen „Tierfabrik“ von irgendwoher kommt, aber besser geht immer, so auch hier. Da bleib ich – trotz der heraufbeschworenen ländlichen Idylle – doch lieber Vegetarier.
Sollte ich doch nochmal auf die Idee kommen, die Challenge Roth anzugehen (wenn ich in Rente bin), dann übernachte ich hier. Also Familie Winkler, wir sehen uns in ca. 17 Jahren….