Es gibt Dinge die man als Ingolstädter gemacht haben sollte (muss). Von eigenen Lücken dieser Art weiß ein jeder zu berichten. Allein – man wähnt sich ewig lebend … Was hat es gedauert, bis ich beispielsweise endlich auf dem Pfeifturm war. Und dann gibt es Verspätungen, die ein wettmachen eigentlich in die Dimension einer Zeitreise rücken. Vor drei Tagen habe ich es gerade noch einmal so geschafft … Ich bin immer noch beglückt!

Das Drehbuch: Biergarten, Kastanien, leibhaftige Gemütlichkeit, abseits der Alltäglichkeit, eine frische Maß, wertige Brotzeiten, Lederhose, Pfoad und Dirndl, angenehme Gesellschaften (nicht unwichtig – auch an den Nebentischen), lebendige Tradition über Generationen und echte Volksmusik. Das gibt es – genau so – nur noch selten. Die Schanz aber bietet es! Das Ganze ist nämlich die exakte Zutatenliste vom Radifest der Moosgmoa Ingolstadt. Dass man dort in der Tat noch nie war, würde selbst hartgesottene Beichtväter in Unruhe versetzen …

Ich verdanke den wunderbaren Radifest-Sonntag letztendlich dem Besuch des letzten Slow Food Stammtischs am Freitag. Beim Picknick im Schutterhof war auch Norbert Schmidl dabei. Er ist neben Felix Braun einer der beiden gleichberechtigten Vorsitzenden der Moosgmoa. Er gab uns einen guten Rat …

Norbert Schmidl|Moosgmoa Ingolstadt

Zur Verortung ➜ 1895 Urgründung|18. März 1905 Gesellschaft Moosgmoa|heute Tischgesellschaft Moosgmoa Ingolstadt|§ 1 der Satzung (Gmoa-Ordnung): “Zweck der Gesellschaft ist die Pflege echter, aufrichtiger Kameradschaft untereinander, die Abhaltung geselliger Zusammenkünfte, besonderer Festlichkeiten usw. Politik sei im Vereinsleben ausgeschlossen.”|keine Website ➜ Radifest seit 1921|heuer zum 93. Mal (es gab neun Ausfälle)|immer am letzten Sonntag im Juli|am Samstag davor seit 1995 das Sommerfest

Auf dem Weg zur Festivität kam uns Pfarrer Bernhard Oswald mit dem Fahrrad entgegen. Ein Merker, beim Radifest im nächsten Jahr (ich werde keines mehr auslassen!!!) auch die Feldmesse zu besuchen. Das Mooshäusl ist bereits für sich ein besonderer Ort. Bespielt 1981-2014 von den Wirtsleuten Sieglinde u. Josef LöglAbschiedsbesuch. Seit 2015 von Jenny u. Martin MüllerAntrittsbesuch. Vor Ort gibt es zwei gleichlaufende Szenarien. Die Moosgmoa bietet im einen traditionell frischen Rettich (gewachsen in Ingolstadt|Gemüsehof Humbold) und Brote (Bäckerei Sengl) mit Schnittlauch oder Schmalz. Der Radi wird mit Hilfe einer Bohrmaschinenkonstruktion spiralförmig aufgeschnitten. Ein Hingucker! Jenseits von großen Feierlichkeiten geht allerdings nichts über entsprechende handwerkliche Mußestunden. Feine Musik machten die Schanzer Musikanten und dann die Holledauer Randstoasutzler. Von der Bühne aus waren die Instrumente elektrisch verstärkt. Nach meiner Ästhetik nicht wirklich nötig (das einzige in der Suppe gefundene Haar). Die andere Szene choreografiert Festwirt Müller mit Getränken (Ingobräu Fest­bier) und warmen Brotzeiten … Hendl vom Grill!

Die ganze Geschichte ist einmalig gut und unaufgeregt stimmig. Seit 1921 … Alles – Essen, Bier, Sommer, Natur, Musik, Menschen, Gemeinschaft, Geschichten, Spiritus Loci – fließt auf eine wunderbare Weise zusammen und mäandert wohlig dahin. Man sitzt mittendrin, vergisst die Zeit, lässt los, ist ganz Mensch und … darf es sein.

Felix Braun u. Norbert Schmidl|Moosgmoa Ingolstadt
Sieglinde u. Josef Lögl|1981-2014 Wirtsleute Mooshäusl

Postskriptum.
Der Wahlspruch der Moosgmoa lautet: “Es bleibt beim Alten”. Mit der Erkenntnis, dass die einzige Konstante im Universum die Veränderung ist – … schwierig. Ein Versuch. Von allein, bleibt nichts wie es ist. Wenn das Alte gut war, und im Heute gut ist, dann darf/soll/muss man es bewahren und pflegen. Unter Wahrung seiner Lebendigkeit. Feuer statt Asche. Immer wieder aufs Neue. Ein schönes Beispiel: Unsere Demokratie.

5 Kommentare

  1. Ein Leben ohne Radifest ist denkbar aber sinnlos. Deshalb bin ich natürlich auch nächstes Jahr wieder beim Radifest!

  2. Besser kann man das Radifest und die Moosgmoa nicht beschreiben. Das Fest ist Kult und gehört zu Ingolstadt wie das Münster und das Kreuztor.

  3. Als Co-Vorsitzender der Moosgmoa war ich natürlich – anders als Michael – schon öfter auf dem Radifest und habe schon zahlreiche Artikel darüber gelesen. Aber bisher hat keiner davon das Lebensgefühl und die Stimmung dort so gut eingefangen wie dieser Beitrag. Danke Michael 🙏 und Prost🍻

  4. Radifestfeeling von einem Nichtmoosgmoala wunderbar beschrieben.
    Als jemand, der mindestens 70 Radifeste besucht hat, kann ich das nur bestätigen.

  5. Herrliche Bilder und jaaa das Radifest💚…mei war des ois Kind scho scheee…was hab ich mich immer auf die Tombola gefreut.
    Danke🙏

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