Donauaufwärts – in Neuburg – pflegen die Bäcker eine echte lokale Spezialität. Es handelt sich um einen herzhaften handgeflochtenen 3-Strang-Zopf mit Salz und Kümmel. Eine Brotzeittafel – mit diesem Gebäck an Bord – kann schon mal nicht mehr untergehen. Ist das nicht ein hilfreicher Rat?!
Gestern, nach einem frühen Termin beim Amtsgericht Neuburg, habe ich mich dieser Köstlichkeit mit der ihr gebührenden Aufmerksamkeit und Wertschätzung gewidmet. Dabei erinnerte ich mich an die Münchener Brotzeitsemmeln und die Allgäuer-Oberschwäbische Seele – beide Passagiere in der Arche des Geschmacks von Slow Food Deutschland.
Bäckereien in Neuburg? Da müssen, will man alles richtig machen, genau diese drei Namen fallen. Alle familiengeführt, handwerklich arbeitend und mit Kaffeehaus:
➜ Göbel|Schrannenstraße 54 1/2|keine Filialen
➜ Kaltenstadler|Hechtenstraße D 139|keine Filialen
➜ Schlegl|Franziskanerstraße 201|10 Filialen (eine davon in Ingolstadt)
Man möchte meinen, dass die Neuburger Spezialität einheitlich bezeichnet wird. Dem ist aber nicht so. Beim Göbel schreibt sie sich Spitzerl, beim Kaltenstadler Spitzl und beim Schlegl Spitzel. Diskutieren könnte man noch, ob es das oder der Spitz(…) heißt.
Im persönlichen Gespräch und im Austausch mit den Bäckern – Anton Göbel, Ernst Kaltenstadler und Wolfgang Schlegl – habe ich mir diese Notizen gemacht:
➜ Göbel: Spitzerl gibt es seit 1953|bereits der Opa von Anton Göbel buk sie in der damaligen Bäckerei Six, die zuvor im Haus war|Zutaten: Weizenmehl, Wasser, Milch, Hefe, Salz, Malz und Kümmel.
➜ Kaltenstadler: Das Rezept gibt in zweiter Generation seit den 50er Jahren|lange Teigführung, auf Steinplatte gebacken|Zutaten: Weizenmehl (Type 550 und 812), Malzmehl, Wasser, Hefe, Salz und Kümmel.
➜ Schlegl: Spitzel werden dort seit fast 100 Jahren gebacken|die älteste Aufzeichnung hat Wolfgang Schlegl in einem Rezeptbuch seines Opas Thomas Schlegl gefunden, der das Produkt schon von seinem Vater Dyonis Schlegl aus Unterhausen bei Neuburg mitgebracht hat|der Teig, ein klassischer Weizenteig angelehnt an einen Semmelteig, wird etwas weicher gehalten und hat eine Zugabe von etwas Butter oder Pflanzenöl (macht das Produkt weicher, weniger krustig) und Kümmel|traditionell wird das Spitzel auf der Herdplatte gebacken und zwar etwas heißer als beispielsweise eine Semmel, so dass die Kruste eher weicher wird.
Beschnuppert, gestreichelt und probiert habe ich (zusammen mit der Familie) die Gebäcke (von jeder Bäckerei drei Stück) zunächst pur. Dann bestrichen mit Butter. Und schließlich zusammen mit lauwarmen Leberkäs (rot).
Welcher ist mein Favorit? Es wurde ein Fotofinish. Denn geschmeckt haben sie alle ganz ausgezeichnet! Göbel und Schlegl sind sich insoweit ähnlich, als sie Kümmel nicht nur obenauf, sondern auch im Zopf haben. Kaltenstadler hat eine herrliche Textur. Fester als die der beiden anderen – teigiger – ich mag das sehr. Leider spart er mit dem Kümmel – bereits beim Belag. Der Kümmel macht es für mich (aber) aus – greift man doch gerade ihm zuliebe genau zu dieser Kreation. Alternativ gäbe es ja auch Laugenzöpfe. Wenn der Kaltenstadler also das feine Gewürz auch in den Teig gäbe … aber wer bin ich, an einem bewährten Familienrezept herumzurütteln … probieren könnte er es vielleicht trotzdem einmal … die Kümmelfreunde werden es nicht reklamieren, im Gegenteil … und wer keinen Kümmel mag, der ordert bereits kein Spitzl … 🙂
So oder so – liebe Leute, probiert diese Gaumenfreude, von wem der Drei auch immer. Übrigens – Discounter oder Backshops können das gar nicht …
Wir in der Hofbäckerei Kastlmühle haben auch Spitzel und noch den original Sinninger Allerseelen Spitz die große Variante des Spitzels.
Zum anschauen der Produkte.
Unter Kastlmuehle.de
Wann sind diese Wochen Dieter? Und – du wirst es gelesen haben – der Schlegl in der Theresienstraße hat die Spitzl täglich …
dafür sind wir in den 70ern tatsächlich immer extra nach Neuburg gefahren – gibt’s (leider nur ein paar Wochen im Jahr) auch beim Hackner
@Uwe: Schön! Freut mich.
@Katrin: Wegen des Kümmels?
Danke für diese Neuigkeit, nach 5 Jahren in ND und als regelmäßiger Kunde zweier der genannten Bäckereien noch nie gesehen oder darauf aufmerksam gemacht worden. Wird probiert.
Mein Mann und meine Schwiegerfamilie liebt sie, mir stellt es allein bei dem Gedanken an die Spitzl die Haare auf 😁
@Uwe: Die Herkunft des Gebäcks schließt das Neuburger Umland mit ein. Bin mir sicher, dass weitere Bäckereien von dort Spitzl auf der Rechnung haben. Wolfgang Schlegl schrieb mir dazu: “… ist zu sagen, dass dieses Gebäck wirklich nur in Neuburg und Umgebung beheimatet ist, im Westen gerade noch bis Sinnig und Burgheim, im Süden Rohrenfels und dem nördlichen Donaumoos bis Ehekirchen und Richtung Osten bis Weichering.“
Ich liebe Spitzel, gern auch zum Leberkäs oder zu Weißwürsten. Übrigens gibt es sie auch beim Lederer in Karlshuld bzw. auch in dessen Filiale in Hundszell (penny).