Über den Ingolstädter Christkindlmarkt wird gerade viel geredet. Jahreszeitlich passend werden dabei allerhand Wunschzettel entfaltet. Es geht um Lage, Einfassung, Beleuchtung, überregionale Konkurrenz, städtische Alternativen und so einiges mehr. Diese Diskussion lasse ich jetzt mal beiseite. Nicht aber ohne wenigstens kurz anmerken zu wollen, dass man auf der Schanz wohl doch unter seinen Möglichkeiten bleibt. Nur zwei Zahlen dazu. Aus dem Jahr 1628 stammt der erste schriftliche Nachweis des heute weltberühmten Nürnberger Christkindlesmarkt. Den Ingolstädter Christkindlmarkt gibt es bereits seit 1570 …

Ich habe mir ein anderes Thema hingelegt: Glühwein. Ich will nicht allzu tief einsteigen. Mir nur – nach einigem hin und her in Facebook-Threads – ein eigenes Bild machen. Eine tagesaktuelle Momentaufnahme. Noch im November hatte ich deshalb den Veranstalter – das Kulturamt der Stadt Ingolstadt – angeschrieben. Auf der eigenen Markt-Website sind leider keine Kontaktadressen der Austeller aufgelistet. Um diese bat ich das Amt. Ich wollte den Händlern einen kurzen Fragekatalog zukommen lassen. Was wird da erwärmt? Alleine, der Datenschutz findet keine Mitte. Entweder er fällt schnell hinten runter, oder – wie hier – er wird vorgeschoben um im gemütlichen Halbschatten zu bleiben: “Aus Datenschutzgründen kann ich Ihnen aber die Anschriften nicht geben” – schrieb die Behörde. So, so …

Also habe ich letzte Woche die Angelegenheit in Augenschein genommen. Vier Stände verkaufen Glühwein. Genau genommen drei. Aber an vieren gibt es alkoholhaltige Heißgetränke.

Meine erste Station, am Ende der “Zuckerbäckergasse” – die Glühweinhütte von Egon Menzel Junior. Im Mittelraum des Aufbaus stehen die 10-Liter-Kanister mit der Aufschrift “Weihnachts-Glühwein” in Reih und Glied. Herr Menzel ist da und gibt mir persönlich Auskunft. Den Glühwein bezieht er vom Großhändler. Der Rotwein darin stammt aus Italien. Er verwende ihn so, wie er geliefert wird. Der Alkoholgehalt beträgt 10% (der Mindestalkoholgehalt ist gesetzlich übrigens auf 7 % festgelegt). Ich frage ihn, warum er den Glühwein nicht selbst herstellt. Das sei lebensmittelrechtlich gar nicht möglich, erwidert er. Und die ganzen Angaben, die er da machen müsste. Schließlich habe er auch kein Weingut. Dabei lasse ich es hier bewenden.

Gleich gegenüber am “Nikolausplatz” befindet sich der Stand von Heiner Distel. Ein Filialist. Er ist auch auf den Märkten in Würzburg, München und Fulda vertreten. Bei ihm gibt es keinen Glühwein. Dafür Feuerzangenbowle. Diese Bowle ist eigentlich ein Punsch. Denn eine Bowle wird immer kalt serviert. Der Name hat sich aber so eingebürgert. Wahrscheinlich ist Heinz Rühmann daran schuld … Und wenn wir schon dabei sind. Die Bezeichnung “Punsch” kommt aus dem Indischen und bedeutet übersetzt “fünf”. Es verweist auf seine ursprünglichen fünf Zutaten (Arrak, Zucker, Zitrone, Wasser und Tee). Frau Distel gibt mir den Alkoholgehalt ihres Tranks mit ebenfalls 10% an. Sie gleicht dabei die Aussage mit der Aufschrift der Kanister unterhalb der Hüttenwände ab. Dazu kommt aber noch der Rum im Zuckerhut. Der Wein, Rotwein, stamme aus Deutschland. Mehr könne sie nicht sagen. Ein Blick auf die Website belohnt dann mit der Bekanntgabe des Weinguts Dohlmühle in Flonheim, des Winzers (Familie Stütz), der Region (Rheinhessen) und sogar der verwendeten Rebsorten (Dornfelder und Merlot).

Robert Eckl (“Robby´s Glühweinstüberl”) hat die größte Behausung am Platz. Sie steht an der Ecke “Engelsgasse”/”Krippenallee”. Auch er schenkt auf weiteren weihnachtlichen Märkten aus. Seine Tochter ist da und zeigt mir die Kanister. 9 % Alkohol entnehme ich der Aufschrift. Und natürliches Zitrusaroma lese ich noch. Der Rotwein komme aus Deutschland. Mehr wisse sie nicht – bietet mir dafür aber eine telefonische Nachfrage bei ihrem Vater an. Dieser erklärt mir dann am Telefon, dass der Glühwein aus einer Kelterei im Bayerischen Wald stammt – nach einem “alten Familienrezept” exklusiv für die Eckls gefertigt. Ich will von ihm wissen, was so alles in diesem alten Rezept sei. Und die genauere Herkunft des Weins. Da hätte ich ihn auf die Idee gebracht, das mal genauer zu hinterfragen, erwidert er.

Zum Lokalmatador. Der Schanzer Glühweinhütte (Online leider eine Baustelle) von Fritz Kreis Junior – Ecke “Hirtenweg”/”Adventsweg”. Nächstes Jahr ist die Ingolstädter Schaustellerfamilie seit 40 Jahren auf dem Markt. Platzälteste Glühweinverkäufer.

Sein Hauptprodukt bezieht Kreis von der Firma Kunzmann aus Dasing. Ich erblicke – Kanister. Mitte der 70er Jahre habe sein Vater den Trank noch selbst gemacht, erklärt Kreis meine Nachfrage nach Eigenbau. Heute sei das nicht mehr möglich. Er wisse ja nie genau wie viel er brauche. Das überrascht mich. Nach 40 Jahren vor Ort sollte man das doch einschätzen können. Außerdem wäre, merke ich an, beim Glühwein doch fast eine just in time Herstellung möglich. Das Thema bleibt offen. Er habe es auch schon mit Bio-Glühwein probiert. Das war vor 4, bzw. 5 Jahren. Neuerungen ließe er immer Zeit, nur die Bio-Variante lief auch im zweiten Jahr nicht. Warum? Ganz einfach, sagt Kreis. Der Käufer wollte seinerzeit keine 3 EUR dafür bezahlen – wo er den regulären Glühwein doch für 2 EUR haben konnte.

9 % beträgt der Alkoholgehalt bei seinem Roten. Bei seinem Roten? Ja, erwidert Kreis, er habe ja noch einen Weißen. Er holt eine Flasche Weißwein, stellt sie mir hin und gibt einen heißen Schöpfer in eine Tasse. Ich probiere. Gar nicht schlecht, gar nicht sooo schlecht. Aber keine Gewürze? Nein sagt Kreis – nur Weißwein und Zucker. Lassen wir das. Aber – tatatataa – vor Ort, selbst gemacht. Und das Kind hat eine (sogar bayerische) Herkunft, einen Namen: Weingut Roman Sauer aus Unterfranken, 2011 Volkacher Kirchberg Müller-Thurgau trocken. Mit dem Weißen ist der Kreis übrigens auf dem richtigen Weg – seht dazu bitte auch das Ende des Berichts. Wir unterhalten uns noch ein wenig. Zur Verabschiedung erwähnt Kreis noch einmal das 40jährige Jubiläum nächstes Jahr und lächelt dabei … Ich glaube ihn verstanden zu haben. Glaube und Hoffnung – ein starkes Team! Vielleicht schließt sich der Kreis.

Fazit: leider quod erat demonstrandum – mit (kleinen – immerhin!) Lichtblicken. Kennt jemand Sabine Braunert? Das ist die deutsche Glühweinkönigin 2012. Das Amt – vor vier Jahren in Trier gestiftet – verdankt seine Existenz dem schlechten Image des Glühweins – so ihr Hofstaat. “Viele denken immer noch, Glühwein ist klebrig, süß und macht Kopfweh” wird Braunert zitiert. Dafür werden aber immer noch erstaunlich viele Millionen Liter genau davon getrunken!

Ich meine, dass die Leute den Glühwein bekommen, den sie verdienen. Da muss sich jeder an die eigene Nase fassen – vor allem wenn er ein Schnäppchentrinker ist. Zum anderen bin ich trotzdem überrascht, wie wenig die Glühweinwirte von ihrem Produkt wissen, wie wenig sie sich damit identifizieren (können). Einmal im Jahr. Vier Wochen nur Glühwein. Und dann lediglich diese Tuchfühlung zu meinem Hauptumsatzbringer? Selber machen? Einverstanden – ihr seid Händler. Aber warum nicht im Frühling oder Sommer mal in eine deutsche Weinbauregion fahren. Mit gutem Zimt, Gewürznelken, Zitronenschalen und Sternanis im Gepäck. Einen interessierten Winzer suchen und mit diesem zusammen ein wenig experimentieren. Noch einmal – wir reden vom Kerngeschäft! Ein Mischgetränk wie der Glühwein ist Vertrauenssache. Und fängt bei einem ordentlichen Wein als Grundlage an. Und dann im Winter richtig auf Sendung gehen! Mit den Kanistern hätte ich kein Problem. Wie sollen die benötigten Mengen denn vor Ort zur Verfügung stehen? Und auch in einem Kanister kann Qualität stecken. Das eigene Produkt! Ohne unklare Aromen und Extrakte. Ohne Zuckeroverkill. Dafür mit Stolz.

Zugegeben – in Ingolstadt muss das dann erst mal kommuniziert werden. Im Gegensatz zu Wellness-Karten zu 24,95 EUR für die Autowaschstraße … Auf der Zeitachse (dran bleiben – das Image ist derzeit zurecht schlecht) wird es aber glücklichere und auch neue(!) Gesichter an den Glühweinhütten geben … bitte mutig ans Werk! Wie angekündigt – noch ein Plädoyer gegen die Plörre.

6 Kommentare

  1. Author

    @ Christian:
    Danke. In diesem Post hatte ich auch schon mal eine Rechnung aufgemacht: “Nach Zahlen des Deutschen Weininstituts (DWI) kostete 2011 im Lebensmitteleinzelhandel der Liter Wein ungeachtet der Herkunft im Schnitt 2,63 EUR. Das sind für die klassische 0,75 Liter Flasche 1,97 EUR! Zieht man die darin enthalten 19% Umsatzsteuer ab, verbleiben 1,66 EUR. Abzüglich der Marge des Einzelhandels, der Kosten für Flasche/Karton, Verschluss, Etikett, Verpackung, Werbung, Transport (viele Tropfen kommen von sehr weit her), Lagerung, Verarbeitung, Ernte, Anbau, etc. verbleibt… ja was denn? Das ganze hat nur ein einziges Mal zur vollsten Zufriedenheit aller Beteiligter wirklich funktioniert. Nachzulesen im Johannesevangelium, dort 2,1 – 12: Die Hochzeit zu Kana.”

    @ Stefan: Du hast Recht. Und damit keine Missverständnise entstehen. Die Glühweinerwärmer (schön!) verhalten sich betriebswirtschaftlich nach dem Lehrbuch, juristisch korrekt (außer sie täuschen etwas vor, was ich aber nicht feststellen konnte) und sind selbst moralisch nicht wirklich angreifbar. Es ist halt einfach nur erstaunlich, dass die Leute von Flensburg bis Garmisch im Jahr 40 Millionen(!) Liter Glühwein trinken – in den seltesten Fällen wohl in dieser Qualität. Und genauso erstaunlich ist, dass es auf der anderen Seite des Tresen nicht mehr Glühweinwirte gibt, die kompromisslos – gerade in dieser Marktsituation – die Qualitätskarte spielen. Die immer wieder spannende Diskussion à la wer war zuerst da, Henne oder Ei? Gibt es nur die billige Nachfrage? Würde ein hochwertiges Angebot Erfolg haben? Der (gescheiterte) Bio-Versuch von Kreis vor einigen Jahren entmutigt zunächst erst einmal. Aber wir wissen nicht, wie dieser kommuniziert wurde. Und wir wissen nichts über die konkrete Qualität des damaligen Bioangebots. Und es ist Zeit ins Land gegangen. Zugunsten einer höheren Sensibilität bei den Leuten was sie zu sich nehmen. Bin optimistisch. Und warte auf ein gutes Angebot – das etwas kosten darf – kosten muss.

  2. Man nennt es Gewinnspanne. Unabhängig davon, ob es Michael, Francesco, Gerald, Christian oder mir schmeckt und unabhängig von unserer individuellen Bereitschaft, dafür so oder so viel Geld auszugeben, muss man doch konstatieren: So verdienen Geschäftsleute im Allgemeinen, Marktbeschicker im Besonderen und Glühweinerwärmer im ganz speziellen Fall Ihren Lebensunterhalt.

  3. Hallo Michael,
    eine sehr kurze Suche bei Google nach “Glühwein Kanister” ist da sehr aufschlußreich.
    Der Kanister (10l) kostet hier ab 15 Euro! Wobei das Angebote sind, die sich Hinz und Kunz auch holen können. Für welchen Preis hier ein Glühwein-Händler einkauft mag ich gar nicht wissen – vor allem wenn der da eine größere Menge abnimmt.

    Wenn man mal davon ausgeht das in eine Glühwein-Tasse 0,2l reinpassen (wenn sie denn auch voll eingeschenkt sind) dann kommt man hier auf 50 Tassen pro Kanister. Das wären dann ca 30 Cent Wareneinsatz…

    (ich glaub ich mach auch nen Glühweinstand auf 😉 )

    https://www.google.de/search?q=gl%C3%BChwein+kanister&ie=utf-8&oe=utf-8&aq=t&rls=org.mozilla:de:official&client=firefox-beta#q=gl%C3%BChwein+kanister&hl=de&client=firefox-beta&hs=PYs&rls=org.mozilla:de:official&prmd=imvns&source=univ&tbm=shop&tbo=u&sa=X&ei=DN_OUPjzOMrQ4QTKkYHAAw&ved=0CD4QrQQ&bav=on.2,or.r_gc.r_pw.r_cp.r_qf.&bvm=bv.1355325884,d.bGE&fp=81d242cbd768458a&bpcl=39967673&biw=1600&bih=787

  4. Danke für die Übersicht. Final bleibt und fällt jedoch Alles, wie richtig erkannt, wie viel man bereit ist dafür auszugeben. Klasse Artikel!

  5. Jetzt besser im Bilde was den Ingolstädter Glühwein angeht – war tasächlich der naiven Meinung der wird selber gmacht – Hmhmhm mal schauen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.